Passagier 23: Psychothriller (German Edition) by Sebastian Fitzek

Autor:Sebastian Fitzek [Fitzek, Sebastian]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426425695
Herausgeber: Droemer eBook
veröffentlicht: 2014-10-29T23:00:00+00:00

Mehr brauchte es nicht, um Julia eine Angst um ihre Tochter spüren zu lassen, die mit nichts auf der Welt vergleichbar war.

36. Kapitel

»Du willst nicht darüber reden?«

Timmy schob trotzig die Unterlippe vor, presste das Kinn noch fester an seine Brust und schüttelte den Kopf.

»Macht dir die Schule keinen Spaß mehr?«

Sein Sohn zuckte mit den Achseln.

Martin beobachtete ihn vom Fenster aus, auf dessen Sims er sich abstützte.

Timmy saß an seinem Kinderschreibtisch und kratzte sich unter der Tischplatte das Knie.

»Hey, es geht mir nicht um die Fünf in Mathe«, sagte Martin zu seinem Sohn.

Die war nur ein Symptom. Eines von vielen, die sich in letzter Zeit zeigten: Timmys unglaubliches Schlafbedürfnis zum Beispiel. Nadja bekam ihn morgens kaum mehr aus dem Bett, und er hatte schon drei Einträge wegen Zuspätkommens. Dann hatte er mit Tennis aufgehört. Einfach so. Martin und Nadja waren keine Eltern, die ihr Kind zu etwas zwangen, aber der Entschluss, von einem Tag auf den anderen, hatte sie kalt erwischt. Sie dachten, er wäre glücklich und fieberte der nächsten Saison entgegen, in der er gute Chancen hatte, in die Berlin-Auswahl aufzusteigen. Wäre Timmy nicht erst zehn, hätte Martin angenommen, sein merkwürdiges Verhalten wäre auf Liebeskummer zurückzuführen. Doch es musste eine andere Ursache geben.

»Hast du Probleme in deiner Klasse?«

Timmy sah auf. Erschrocken stellte Martin fest, wie müde sein Sohn war. Fast so müde wie er selbst.

»Nein. Da ist alles okay. Keiner, der mich Döner fressen lässt, wenn du das meinst.«

»Döner« war auf Timmys Schule die Bezeichnung für eine Handvoll Laub und Dreck, die die Stärksten der Klasse auf dem Schulhof aufsammelten, um sie den Schwächsten aus Spaß in den Mund zu stopfen. Einfach, weil sie es konnten.

»Es ist wegen dir. Weil du so oft weg bist, und mit Mama …«

Timmys Stimme brach. Martin sah, wie verzweifelt er sich bemühte, vor seinem Vater nicht zu weinen.

»Hey, komm her.« Er ging zu ihm, kniete sich neben den Schreibtisch und nahm ihn in die Arme.

Er spürte, wie sehr Timmy abgenommen hatte, seitdem die Pausen zwischen den Ehestreitigkeiten immer kürzer wurden, bis sie am Ende in ein schwelendes Dauerfeuer übergegangen waren.

»Wenn Mama und Papa sich streiten, hat das nichts mit dir zu tun, das weißt du doch hoffentlich?«

Timmy nickte und zog die Nase hoch.

»Das ist alles meine Schuld, Großer. Ich bin viel zu oft weg. Aber ich schwöre dir, das hört auf. Ich habe nur noch einen Auftrag zu erledigen, dann kündige ich und such mir einen Job, bei dem ich von zu Hause aus arbeiten kann. Wie hört sich das an?«

Sein Sohn löste sich aus der Umarmung. Skepsis lag in seinem Blick. Man sah ihm an, dass er die gute Nachricht nicht glauben wollte.

»Und dann wärst du immer bei mir?«

»Ja. Ich verspreche es dir. Ich komme bald zurück, und dann sind wir für immer zusammen.«

Martin gab Timmy einen Kuss auf die Stirn und verstrubbelte seine Haare.

Dann stand er auf, ging zur Tür und griff nach seinem Seesack, den er bereits gepackt hatte.

Er öffnete Timmys Zimmertür und drehte sich noch einmal um, da ihm etwas eingefallen war.

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